Digitalisierung - Chance & Herausforderung, Beitrag im Innovation Management Magazin 2/2017
Deutsches Institut für Erfindungswesen (DIE) e. V., München
Wilo SE, Dortmund
Integration von Produkt-Design und IP-Management bei WILO
Von Dr. Markus Beukenberg, Prof. Kurt Mehnert, Prof. Dr. Alexander J. Wurzer und Theo Grünewald
Das Innovationsgetriebene Unternehmen WILO ist mit seinen High-Tech-Pumpen ein wichtiger Mitspieler bei den globalen Fragen von Verbrauch und Versorgung mit Energie und Wasser. Investitionsdruck, verbunden mit dem Bedarf an höchster Effizienz und Ressourcenschonung sind Treiber des Geschäfts. Pumpen werden immer mehr zu smarten Produkten, eingebunden in intelligente Gebäude. Neben der Technik ist für WILO eine konsistente und nachhaltige Markenführung wichtig.
Bei der Neuentwicklung der Hocheffizienzpumpe Stratos MAXO wurde erstmals das Innovations- und IP-Management integriert mit dem Produktdesign durchgeführt. Das Ergebnis ist ein einzigartiges Produkt, dessen Differenzierungsmerkmale
in der Wettbewerbspositionierung auch geschützt und somit exklusiv sind. Die hohe Aufmerksamkeit der Branche, Auszeichnungen und Markterfolg geben dem Ansatz recht.
Über WILO
WILO hat als Pionier der Pumpentechnologie für Zentralheizungen nicht nur Technikgeschichte geschrieben, der Konzern mit Sitz in Dortmund setzt sich selbst in seiner Branche ambitionierte Ziele: Die Herausforderungen der Zeit sollen im Wettbewerbsumfeld der Hightech-Pumpen nicht nur als Erster, sondern auch als Bester gelöst werden. Seit 1872 entwickelt WILO innovative Lösungen bei Pumpen und Pumpensystemen für die Heizungs-, Kälte- und Klimatechnik, die Wasserversorgung sowie für die Abwasserentsorgung und –reinigung. WILO beschäftigt sich mit allem, was Wasser bewegt: In der Gebäudetechnik, der Wasserwirtschaft und der Industrie.
WILO lebt und kultiviert den Pioniergeist aus der Tradition und den Erfolgen mit Innovation und dem Verständnis der Kundenbedürfnisse. Nach eigenem Verständnis gilt als Fortschritt das, was für die Kunden eine Verbesserung darstellt. Das ist nicht nur die große Innovation, sondern auch das kleine Detail, ein beschleunigter Prozess ein vereinfachter Handgriff oder eine einfacher zu treffende Entscheidung für den Kunden. WILO-Produkte sollen besonders anwenderfreundlich, effizient und hochwertig sein. Wie grundsätzlich und fortschrittlich Wilo an das Thema Innovation herangeht, kann man auch daran ermessen, dass es immer wieder Lösungen von Wilo waren, die ein Vorbild für den Markt darstellten und maßgeblich die Ausgestaltung von Richtlinien beeinflusst haben.
Globale Trends und die Pumpenindustrie
Aufgrund seiner Geschäftstätigkeit und seines Produktspektrums sieht sich WILO von verschiedenen langfristigen Entwicklungen betroffen, auf die es seine Strategie hin ausrichten muss. Dazu zählen: Globalisierung, Urbanisierung, Wassermangel, Energie-Knappheit, Klimawandel und technologischer Wandel. Diese Entwicklungen beeinflussen die Gesellschaft, die Ökonomie, die Ökologie, sowie die technologische Realität von heute und in der Zukunft. Ihre Auswirkungen müssen auf das strategische Verhalten von WILO abgebildet werden. Die Globalisierung führt dazu, dass heutige Schwellenländer sich ökonomisch rasch weiterentwickeln und in ihrer Produktion und ihrem Ressourcenverbrauch zu Industrienationen werden. Dies hat wiederum ein weiteres Ansteigen des globalen Wettbewerbs um Rohstoffe und Ressourcen zur Folge.
Die gleichzeitige Zunahme der Urbanisierung stellt die Planer vor gewaltige Herausforderungen. Dabei gilt die Wasserversorgung als eine der größten Problemstellungen, wobei nicht nur die Haushalte, auch die Industrie und die Landwirtschaft immer mehr Süßwasser benötigen, welches als überlebensnotwendige und knappe Ressource immer kostbarer wird. Neben dem Grundproblem der Wasserknappheit wird das Energieversorgungsproblem angesichts des Klimawandels immer drängender. Diese Veränderungsprozesse ergeben für WILO die Rahmenbedingungen für ein positives Wachstumsszenario. Dort wo Investitionsdruck herrscht, verbunden mit dem Bedarf an höchster Effizienz und Ressourcenschonung, ist WILO in einer guten Angebotsposition.
Positionierung der Gebäudetechnik als Teil der Energiewende
Die Energieeffizienz von Gebäuden steht im Zentrum der Trends der Gebäudetechnik. Aufgrund der Urbanisierung amortisieren sich Effizienzmaßnahmen deutlich schneller, denn drei Viertel aller Energie wird in Städten verbraucht. Schon heute entfallen 40% des weltweiten Energieverbrauchs auf den Gebäudebestand, nur 32% auf die Industrie und 28% auf Transport und Verkehr. Bei den Gebäuden wiederum ist der Löwenanteil der Effizienzgewinne bei den Heizungsanlagen zu suchen, denn ca. 75% aller Heizungsanlagen arbeiten nicht energieeffizient. Andererseits steigt der Anspruch der Bewohner an den Komfort und die Sicherheit der Gebäude. Insofern erklärt sich der generelle Nachfragetrend Energieeffizienz- und (Versorgungs-)Sicherheitstechnik, sowie der Vernetzung der verschiedenen Systeme.
Generell lässt sich sagen, dass je intelligenter ein Gebäude ist – Stichwort Smart Building – desto eher kann es den genannten Anforderungen nachkommen. Aus Sicht der Gebäudeautomation steigt mit der Funktionalität die Komplexität an. Darauf wird beispielsweise dadurch reagiert, dass sehr viel mehr in IT in der Gebäudeinfrastruktur investiert wird. Dabei sind die grundlegenden Kommunikationsprobleme inzwischen behoben, die Branche hat sich zwischen Produkten, Aktoren wie Sensoren und Systemen auf eine Reihe von Standards geeinigt. Jedoch ist die Frage der Zusammenwirkung der verschiedenen Komponenten, wie beispielsweise zwischen einem Pumpennetzwerk und der Gebäudeleittechnik durchaus eine noch offene Frage die über Technologie, Marktanforderung und IP-Positionen zu klären ist.
Die Marke WILO
WILO will als innovativer Systempartner für maßgeschneiderte Lösungen in Wasserwirtschaftsprojekten wahrgenommen werden, der diese Lösungen entwickelt und umsetzt. Damit wird vom Selbstverständnis die Systemgrenze der Leistung von Wilo deutlich größer gezogen, als es beispielsweise der Lieferung einer Pumpe als Maschine entspräche. Wilo steht für Innovation, Zuverlässigkeit und Systemkompetenz rund um die Pumpe. In der Markenpositionierung wird unmittelbar vom Bedarf des Kunden her gedacht und eine partnerschaftliche, maßgeschneiderte Lösung angeboten, damit der Kunde über unkomplizierte Abläufe und hohe Planungssicherheit verfügen kann. Bei der Markenpositionierung – ebenso wie in der Positionierung von Wilo in der Wertschöpfungskette der Branche – spielt die sogenannte Pumpenintelligenz eine entscheidende Rolle, und zwar in zweifacher Hinsicht: Im Sinne der Intelligenz und Kompetenz von WILO über die Pumpe und in dem Sinne, dass die Pumpe selbst ein möglichst intelligentes Produkt sein soll. Dabei legt WILO großen Wert darauf, dass dem Produkt selbst die Intelligenz angesehen werden kann, also dass sich der Intelligenzanspruch auch in der Kommunikation durch die äußere Produktgestaltung widerspiegelt und dieser durch IP geschützt ist. Bei den Hocheffizienzpumpen wird der höchste Anspruch an Innovation, Technik, Ergonomie und Gestaltung umgesetzt. Sie gelten als Imageträger und werden durch ein umfassendes Portfolio an Marken und Geschmacksmustern bzw. Designs vor Nachahmung, insbesondere Plagiaten geschützt.
Es gibt beispielsweise Design-Guides für das elektrische Anschlussmodul, die Benutzerschnittstelle mit der Anzeigeeinheit (Companel), die Bedienelemente, das Motorengehäuse, die Typenschildaufnahme, das Hydraulikgehäuse, die Isolierung und Dämmung sowie die Verwendung und Anbringung des Firmenlogos. Wilo legt großen Wert auf die Markenkonsistenz, insbesondere zwischen der Kommunikation (Bekanntheit, Vertrautheit, Erwägung) und der Erfüllung des Markenversprechens an allen Berührungspunkten (Kauf, Empfehlung, Präferenz). Um dies zu gewährleisten werden umfassende Analysen zum WILO-Markennutzenversprechen, basierend auf Marktforschung und Kundenzufriedenheitsanalysen durchgeführt. Daraus wird das strategische Nutzenversprechen abgeleitet. Ziel ist es, die Marke WILO an Kundenbedürfnissen auszurichten, um noch stärker präferiert zu werden und eine klare Differenzierung im Wettbewerbsumfeld zu sichern. Die rationale Kaufargumentation für Hocheffizienzpumpen läuft entlang folgender Aspekte: Premium Qualität, German Engineering, Technologie, Nachhaltigkeit, Hocheffizienz und als Zusammenfassung, das Angebot von Problemlösungen für den Kunden. Die emotionale Kaufargumentation läuft entlang folgender Aspekte: Ultimativer Komfort, Initiative, Aktivität, Orientierung an vertrauenswürdigen Lösungen. Die rationale und emotionale Argumentation zusammen ergibt den wahrgenommenen Kundennutzen.
Differenzierung durch Produktdesign
Im Kern der Differenzierungsstrategie von Wilo steht aber die Pumpenintelligenz. Diese muss für den Kunden im Rahmen seiner Produktnutzung unmittelbar erkennbar und intuitiv erfahrbar sein. Aus diesem Grund legt WILO bei der Entwicklung von Produkten besonderen Wert auf ein aussagekräftiges, die Nutzung unterstützendes und klar erkennbares Produktdesign – wobei sich dieses Design nicht auf die Gestaltung von Formen, Farben und Oberflächen des Produkts beschränkt. Vielmehr werden die unterschiedlichen Szenarien der Produktnutzung durch den Kunden durchleuchtet und auf dessen Bedürfnisse hin optimiert.
So stand auch bei der Neuentwicklung der Hocheffizienzpumpe Stratos MAXO das Produktdesign im Fokus. Es wurde darauf Wert gelegt, dass die Gestaltung nicht nur eine komfortable, intuitive und einfache Bedienung zulässt, sondern auch die Marke erlebbar macht. Kern der Neugestaltung war insofern ein neues Nutzer-Interface, das ein Höchstmaß an Ergonomie, Benutzerfreundlichkeit und verständlicher Informationsvermittlung aufweist. Der Monitor, das neue Human-Centered-Interface, bestimmt nunmehr auch die visuelle Präsenz der Stratos MAXO.
Er wird bedarfsgerecht aktiv und damit zur individuellen Bühne des Nutzers. Hier wird die gesamte Intelligenz des Produktes erfahrbar und für den optimalen Einsatz steuerbar gemacht. Gleichzeitig wird dem Nutzer im neuen Farbkonzept ein umfassendes Markenerlebnis vermittelt: Die zentrale Bedieneinheit und der Motor in „WiloGrün“ suggerieren dem Nutzer einen optischen „Durchgriff“ durch das Produkt und machen dadurch die Zusammenhänge intuitiv verständlich. Die für die Stratos MAXO neu entwickelten gestalterischen Konzepte werden in Zukunft inhaltlich und formal auf das gesamte Produktportfolio übertragen, nicht zuletzt, um einen einheitlichen Markenauftritt und maximale Wiedererkennbarkeit zu gewährleisten.
Im März 2017 wurde die Stratos MAXO vom renommierten Rat für Formgebung für ihr innovatives Design und effiziente Technik mit dem «Design Plus powered by ISH“-Award ausgezeichnet. Bewertungskriterien waren unter anderem die Gestaltungsqualität, die Gesamtkonzeption, der Innovationsgehalt, die Materialwahl sowie technische und ökologische Aspekte.
Sicherung der Differenzierungsmerkmale durch IP
Aus Sicht des TOP-Managements war der strategische Fokus von IP darauf auszurichten, diese Differenzierungsstrategie zu unterstützen. Im Rahmen der Produktneuentwicklung und des Produkt-Launches der Hocheffizienzpumpe Stratos MAXO galt es, exemplarisch eine IP-Strategie zu entwickeln und umzusetzen. IP galt bei WILO, als traditionell technologisch getriebenem Unternehmen, primär als Instrument zum Schutz von eigenen Erfindungen, die im Rahmen der originären Entwicklungsarbeit anfielen. Die eigentliche IP-Strategie bestand darin, den Schutz der eigenen Erfindungen zu betreiben und die Verletzung von Schutzrechten Dritter zu vermeiden. Im Rahmen der Produktentwicklung der Stratos MAXO wurde dieser passiv-reaktive Kurs verlassen und eine aktive an den Markt- und Wettbewerbsgegebenheiten ausgerichtete IP-Strategie entwickelt. Ausgangspunkt war neben der Markenpositionierung die technologische Kompetenz des Unternehmens.
Es galt im Rahmen der Entwicklungsprojekte auch, den Projektmitarbeitern ein Verständnis für eine moderne IP-Strategie zu vermitteln: Geistiges Eigentum ist kein Nebenprodukt der eigenen Marketing-, Design- und Entwicklungsarbeit, welches gewissermaßen als natürliche Rendite der eigenen kreativen Leistung abfällt und aufgrund der Schutzwirkung unmittelbar einen positiven Wertbeitrag liefert. Dem Vorstand war klar, dass aufgrund der Komplexität der Produkte, der Intensität des Wettbewerbs, der globalen Wertschöpfungsketten und der enormen Herausforderungen der Industrie ein solches traditionelles Bild von IP keine Antworten für die Zukunft mehr hatte. Zur Etablierung der IP-Kultur bei WILO wurden zunächst vier Fokusbereiche unterschieden, aus welchen heraus im Anschluss die Projektziele abgeleitet wurden:
Fokus I: IP Kultur – Festlegen der Ziele von IP
Verbietungsrechte wurden bei WILO in der Vergangenheit eher zufällig und ohne konkrete Zielvorgaben angemeldet. Der Umgang mit IP war jenseits der Patent- und Entwicklungsabteilung nicht in der Unternehmenskultur verankert. Nur in Einzelfällen wurde IP in unternehmensstrategische Überlegungen und zur Optimierung der Rendite einbezogen.
Fokus II: Wettbewerbswirkung von IP
Es galt zu klären, welche Möglichkeiten bestehen, Exklusivitätssphären um innovative Ideen herum zu gestalten, um eine nachhaltige, rechtlich verteidigungsfähige Unique Selling Proposition zu gestalten. IP soll gezielt über seine Exklusivitätswirkung zur Gestaltung des Marktes und bei Kundenentscheidungen eingesetzt werden.
Fokus III: Konfiguration des IP-Portfolios
Es soll das IP Portfolio in Zukunft stetig überprüft und gegebenenfalls an Änderungen im Geschäftsmodell, der Wettbewerbssituation sowie Veränderungen in der Wertschöpfungskette (z.B. entlang von Entwicklungen in der Industrie 4.0) angepasst werden. Wie alle anderen Produktionsfaktoren auch, soll WILO das vom Unternehmen erworbene und genutzte IP optimal auf das Geschäftsmodell abstimmen.
Fokus IV: Wertschöpfung durch IP
Die Kosten und der Nutzen von IP sollen kontinuierlich beobachtet und das IP Portfolio entsprechend bereinigt werden. So sollen die Aufwendungen für IP in einem angemessenen Rahmen im Vergleich zum erzielten Nutzen bleiben. Im Geschäftsbereich Big Circulators wurde ein eigenes Projekt initiiert, welches für ein IP-Alignment dienen sollte. Das Projekt wurde vom Vorstand als höchste Priorität eingestuft, um allen Beteiligten die Bedeutung der Weichenstellung in Richtung eines modernen IP-Managements deutlich zu machen. WILO steht im Differenzierungswettbewerb. Daher müssen sich die Führungsgrößen der IP-Strategie am strategischen Nutzungsversprechen orientieren, gleichzeitig aber auch eine technische Realisierung im Produkt haben. Es wurden vier Führungsgrößen herausgearbeitet, die jeweils ein Spektrum von Kundennutzen repräsentieren.
Qualität
Zuverlässigkeit und Service in einem breiten Einsatzspektrum ist für WILO von großer Bedeutung. Viele Einzeleigenschaften und einzelne Kundennutzen zahlen auf die Qualität ein, wie beispielsweise Laufruhe, Verfügbarkeit, Langlebigkeit und die Abdeckung von vielerlei Sonderanwendungen.
Energieeffizienz
Im Selbstverständnis von Wilo als Technologieführer bei Hocheffizienzpumpen ist Energieeffizienz, also das optimierte Verhältnis zwischen Leistung und Energieeinsatz, von zentraler Bedeutung. Dazu zählen die Eigenschaften der automatischen Regelung, die Nachhaltigkeit der Lösung für den Kunden und die mit dem niedrigen Energieverbrauch einhergehenden niedrigen Betriebskosten.
Einfache Bedienung
Pumpen sind ein „low involvement“-Produkt, bei dem der Kunde eine möglichst einfache Bedienung erwartet. Diese einfache Bedienung sollte sich aus Sicht des Kunden über den gesamten Lebenszyklus der Pumpe durchziehen, von der Installation, über die Inbetriebnahme und die kontinuierliche Regelung bis hin zum einfachen Austausch.
Überraschungselement – Bedienung die begeistert („Joy of use“)
Das Markenversprechen „Caring every day to make your life easier“ bedeutet auch, dass die Kunden über das Produkt und die Intelligenz begeistert sein sollen, die eingeflossen ist, um ihr Leben einfacher zu machen. Solche Elemente sind das Human-Maschine-Interface, das Design, die Vermeidung von Fehlbedienungen oder das hohe Niveau der Systemintegration. Die verbindende Eigenschaft hinter diesen Führungsgrößen ist die Pumpenintelligenz. Intelligenz heißt in diesem Zusammenhang, das Produkt ist zuverlässig, effizient und so gestaltet, dass es einfach zu bedienen ist. Wenn die Intelligenz so groß ist, dass sie den Kunden überrascht, dann ist auch das Begeisterungselement realisiert. Die Aufgabe von IP muss es sein, für diese Führungsgrößen eine möglichst große Exklusivität in der Wahrnehmung des Kunden zu erreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich WILO einer hoch komplexen Entscheiderstruktur für seine Produkte gegenübersieht. WILO-Pumpen werden unter anderem in die Produkte anderer Unternehmen eingebaut, ohne dass der Endkunde von der Existenz der WILO-Pumpe im Endgerät weiß. Hier ist aus strategischen Gründen kein „Reach-Through“-Mechanismus (wie beispielsweise von „Intel-Inside“ bekannt) implementierbar.
Über die Entscheidungs- und Nutzenstruktur entlang des Produktlebenszykluses gilt es die Planungsphase, die Installation, den Betrieb, den Ersatz sowie das Update, den Upgrade und den Servicefall zu unterscheiden. Entscheider und Beeinflusser sind Großhändler, Facility-Manager, Planer, Investoren, Installateure und Endkunden bzw. Anwender. Insofern gilt es auf Seiten von WILO ein möglichst klares strategisches Nutzenversprechen zu formulieren, das von den verschiedenen Entscheidern und Beeinflussern positiv wahrgenommen wird und einen ausreichenden Individualnutzen kommuniziert. Das Exklusiveren des Kundennutzens mittels IP und die Schaffung einer Unique-Communication-Position dient somit der Beeinflussung der Entscheider zugunsten der WILO-Produkte.
Entlang dieser Führungsgrößen der IP-Strategie galt es anschließend, IP im Wettbewerb der Hocheffizienzpumpen zu hinterfragen und aus dieser Analyse den Bedarf an IP zu ermitteln. Nach der Durchsprache der IP-Strategie und des daraus abgeleiteten Bedarfs an IP mit dem Top-Management wurde die exemplarische Umsetzung und systematische Implementierung beschlossen und begonnen.
Die Umsetzung und organisatorische Implementierung der IP-Strategie in fünf Schritten
Schritt 1: Einbinden der Marktintelligenz des Unternehmens in das IP-Design
Die konventionellen IP-Aktivitäten des Risikovermeidens durch die Herstellung einer Freedom-To-Operate und die Unterdrückung von Imitationen werden durch das strategische Verbieten ergänzt. Die Imitationsunterdrückung geht von der existierenden eigenen technischen Lösung eines technischen Problems aus und unterbindet durch Patentschutz die Imitation dieser technischen Lösung. Gegebenenfalls werden auch Alternativen zu der technischen Lösung, sogenannte Umgehungslösungen, angemeldet. Das strategische Verbieten unter Einbeziehung der Marktintelligenz hat einen anderen Startpunkt: den Kundennutzen. Es liegt beim strategischen Verbieten nicht unbedingt eine eigene technische Lösung vor, sondern vielmehr gibt es den Willen des Unternehmens, bei einem Kundennutzenangebot exklusiv zu sein. Die Verbotswirkung der zu gestaltenden Patente bezieht sich dann auf die Angebotsfähigkeit des Wettbewerbs für diesen Kundennutzen. Um den zu exklusivierenden Kundennutzen exakt zu definieren und die Realisierungsmöglichkeiten technisch präzise zu fassen, ist die Integration von Entwicklern, Produktmanagement und Marketing in multidisziplinären Teams notwendig. Von wesentlicher Bedeutung ist auch die Mitwirkung von Produktdesignern an einem solchen Vorgehen, da sie Nutzungsszenarien aus Kundensicht optimieren und den Kundennutzen dadurch erkennbar und erlebbar machen. Durch ein entsprechendes Zusammenwirken von Produktdesignern und IP-Experten ist es möglich, bereits früh im Entwicklungsprozess für eine deutliche und nachhaltige Differenzierung von Wettbewerbsangeboten zu sorgen. Gleichzeitig ist eine solche Zusammenarbeit keine Einbahnstraße: In vielen Fällen führt auch das Erkennen der Notwendigkeit bestimmter Exklusivitätspositionen zur Gestaltung neuer Produktfeatures.
Schritt 2: Anpassung des IP-Prozesses
Um das Gestalten der gewünschten Verbietungsrechte entlang des Kundennutzens zu ermöglichen, musste der Patentprozess bei WILO angepasst werden. Der klassische Patentprozess beginnt aus Sicht der Patentabteilung mit dem Eingang einer Erfindungsmeldung. Dieser Erfindungsmeldung vorausgegangen, ist der Erkenntnisprozess des Erfinders, dass er eine Erfindung gemacht hat. Der Ausgangspunkt des klassischen Patentprozesses ist also die Erfindung. Im IP Design ist der Ausgangspunkt des Patentprozesses nicht die Erfindungsmeldung, sondern die Bedarfsanalyse wie sie oben geschildert wurde. Die Bedarfsanalyse geht davon aus, dass das Unternehmen in der Lage ist, eine Alleinstellung bei einem Kundennutzen anzubieten. Um diese Alleinstellung, also das strategische Nutzenversprechen herum wird durch IP eine Exklusivitätssphäre gestaltet und rechtlich verteidigungsfähig, nachhaltig gegen den Wettbewerb aufrechterhalten. Nach der Klärung des Bedarfs, wird mit dem Werkzeug des synthetischen Erfindens das gewünschte Verbietungsrecht gestaltet. Dieses Vorgehen entspricht einer umgekehrten Denkrichtung zum klassischen Patentprozess. Das IP-Design kommt vom gewünschten Ergebnis her und gestaltet dann die Verbietungsansprüche, während der klassische Patentprozess mit dem Erfinden beginnt und auf die Zukunft hofft, dass die so entstehenden Patentansprüche auch tatsächlich den angebotenen Kundennutzen abdecken. Das Ausgehen vom gewünschten Ergebnis betrifft aber nicht nur die Schaffung von Patentpositionen. Im Rahmen der Gestaltung der Stratos MAXO wurden unterschiedliche Entwürfe für das Produkt- und Interfacedesign auch aus IP-Sicht bewertet. Dabei wurde insbesondere darauf geachtet, in welchem Umfang und mit welcher Effektivität die Designmerkmale durch IP geschützt werden können. Die entsprechenden Informationen flossen dann in den Entscheidungsprozess über das Produktdesign mit ein.
Schritt 3: Gestalten der Verbietungsrechte entlang des Kundennutzens der Wilo-Leistungen durch synthetisches Erfinden
Beim synthetischen Erfinden werden die patentrechtlichen Anstrengungen auf einen Bereich fokussiert, für den im eigenen Haus zunächst keine fertigen F&E Ergebnisse vorliegen. Die auf diese Weise zu gestaltenden Patente können somit nicht „nebenbei“ aus der ohnehin zu erledigenden F&E-Arbeit abgeleitet werden, sondern sind vielmehr gezielt hergestellte Assets. In diesem Sinne wird von einem synthetischen Erfindungsvorgang gesprochen. Mittels Werkzeugen aus dem Produkt-Design, werden die technischen Überlegungen soweit konkretisiert, dass Veränderungen gegenüber dem Stand der Technik erzeugt werden. Beim Vorgehen selbst finden die üblichen Werkzeuge zum systematischen Erfinden (auch als „Invention on Demand“ bekannt) Anwendung. Entscheidend ist der Ausgangspunkt. Wie in der folgenden Abbildung dargestellt, werden entlang einer Führungsgröße, wie beispielsweise der „Einfachheit der Bedienung“, die notwendigen technischen Systemelemente gegenübergestellt, um sich Klarheit über die technische Realisierung zu verschaffen. Aus dem Wunsch, einen bestimmten Kundennutzen möglichst exklusiv bedienen zu können, ergibt sich die Suche nach der Menge aller technischen Lösungen, die diesen Kundennutzen erzeugen können. Dabei gilt es insbesondere erfinderische Lösungen zu finden, die jenseits der eigenen Implementierung liegen und eine Wettbewerbsrelevanz besitzen. Für den eigentlichen erfinderischen Schritt gibt es eine Vielzahl von Erfindungsmethoden. Im Kern wird dazu eine Widerspruchsformulierung angewendet, um die erfinderische Aufgabe dadurch zu kennzeichnen, dass zwei im Allgemeinen als widersprüchlich angesehene Forderungen erfüllt werden müssen. Ergebnis ist eine Übersicht von möglichen Lösungen des technischen Problems, die gegen den Stand der Technik abgeglichen werden müssen.
Schritt 4: WILO ist in der Lage sehr früh und sehr spät im Innovationsprozess Verbietungsrechte zu designen
WILO plant die Entwicklung seiner Produkte und Leistungen bereits lange vor dem Beginn der eigentlichen Entwicklungstätigkeit. Der Wettbewerb arbeitet oft in enger zeitlicher Nähe an Lösungen, die aus Sicht des Kunden einen ähnlichen Nutzen liefern und/oder entlang analoger Nutzenversprechen gegenüber dem Kunden argumentiert werden. Die Wettbewerbsbedingungen sind im Umfeld von Hocheffizienzpumpen so intensiv geworden, dass es vorkommt, dass Patente aus der Branche die eigenen Umsetzungen von Ideen behindern. Um dies systematisch zu vermeiden, wird die Patentarbeit bei WILO schon in die frühen konzeptionellen Phasen des Innovationsprozesses verlagert, um umfangreiche Exklusivitätssphären sichern zu können. Ebenso wird marktbegleitend die vorhandene Exklusivität überprüft und gegebenenfalls durch weitere Verbietungsrechte das eigene IP-Portfolio ergänzt. Sowohl die sehr frühe, als auch die sehr späte Anmeldung von Schutzrechten erfordert spezifische Kompetenzen im IP-Design, die WILO innerhalb der Projektteams sukzessive aufbaut.
Schritt 5: Einsatz der Wirkungsdaten für die kontinuierliche Verbesserung des IP-Designs
IP-Controlling schafft für WILO Transparenz darüber, ob die gesteckten Ziele erreicht wurden und ermöglicht eine aktive Steuerung des Portfolios. Das IP-Controlling stellt einen Zusammenhang zwischen dem Markterfolg und dem IP Portfolio her und macht so relevante Informationen verfügbar und interpretierbar. Die Formulierung konkreter Ziele innerhalb der IP-Strategie und die Priorisierung bestimmter Exklusivitätsbereiche führen zu einem am Nutzen ausgerichteten Aufbau des IP-Portfolios. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die nötigen Mittel sinnvoll verwendet werden. Die Formulierung konkreter Ziele und die Überwachung der Zielerreichung führen dazu, dass IP gezielt in das Geschäftsmodell integriert wird und so seinen maximalen Nutzen entfaltet. Die kontinuierliche Kontrolle von IP bezogenen Kosten und Nutzen, deren Dokumentation und Analyse ermöglicht WILO die zielgerichtete Gestaltung/Optimierung des IP Portfolios anhand von Effektivitätskriterien, sowie der dazu notwendigen Budgets.
Zusammenfassung
WILO hat bei der Entwicklung der neuen Hocheffizienzpumpe Stratos MAXO einen neuen Ansatz verfolgt und IP-Strategie, Produktdesign und Innovationmanagement integriert umgesetzt. Es wurden gemäß dem Design-Thinking-Vorgehen, verschiedene Szenarien der Produktnutzung analysiert, das Produkt und die Benutzerführung dementsprechend optimiert und die Differenzierungsmerkmale in das IP-Design übernommen. Der IP-Prozess wurde von einem reaktiven Ansatz, der auf Erfindungen aus F&E reagiert, auf einen aktiven Ansatz umgestellt, welcher aus den Exklusivitäts- und Marktbedürfnissen heraus gesteuert wird. So wurde auch die IP-Kultur bei WILO verändert: Weg von dem einsammeln von Erfindungen, hin zu einem aktiven Gestalten von Marktpositionen durch Verbietungsrechte. Somit wurde ein IP-Portfolio gestaltet, das auf die Kernbotschaft der Marke WILO – Pumpenintelligenz einzahlt und diese exklusiv in der Kundenwahrnehmung und gegen den Wettbewerb macht.