Corporate Design Strategien, Beitrag im Innovation Management Magazin 1/2018
Deutsches Institut für Erfindungswesen (DIE) e. V., München
Wohninvest Holding GmbH, Fellbach
Haben Corporate Design Strategien in der digitalen Welt noch den richtigen Bezug zum Kunden?
Von Prof. Kurt Mehnert, Peter Kutz (M.A.)
Durch die immer schneller und direkter stattfindende Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunden in Zeiten der Digitalisierung werden Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt.
Bisherige analoge Berührungspunkte werden zunehmend von digitalen abgelöst und erfordern für die erfolgreiche Markenkommunikation eine noch stärkere Fokussierung auf den Kunden selbst. Ein Fallbeispiel aus der Immobilienbranche.
Die Herausforderung
Der Prozess der Digitalisierung, der die Industrie in den letzten zehn Jahren mit einer Automatisierungswelle der Arbeitsabläufe durch die Nutzung des Internets sowie zahlreicher Mobile Devices (Handy, Laptop, Tablet-PC usw.) erfasst hat, fordert zunehmend die omnipräsente Verfügbarkeit und permanente Konnektivität der Unternehmen ihren Kunden gegenüber. Die Implementierung „intelligenter“ Systeme im Bereich des Kundenservice kann den Kontakt mit Kunden sowohl durch persönliche, direkte und schnelle Kommunikation begünstigen, als auch die Kundenbindung durch übermäßig automatisierte Vorgänge negativ beeinträchtigen.
Zahlreiche Unternehmen haben aus Gründen der Effizienz vorprogrammierte Questions and Answers-Foren entwickelt, die eine potentielle Lösung für die im Vorfeld antizipierten Kundenfragen bieten. Manche Unternehmen gehen sogar so weit, einen persönlichen Ansprechpartner in Form eines Software-basierten Kundenbetreuers vorzutäuschen, der mit Hilfe von Algorithmen individuelle Kundenbedürfnisse aus einer Fülle akkumulierter Daten herauszufiltern versucht.
Die Option einer unbeschwerten und korrelativen Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde ist mittlerweile genauso entscheidend für eine erfolgreiche und kundenspezifische Marketingstrategie wie die Marke selbst.
Der heutige Kunde will als aktiver Geschäftspartner begriffen werden und legt großen Wert auf persönliches Empowerment (erhöhte Autonomie und Selbstbestimmung), das durch regen, wechselseitigen Dialog wesentlich gestärkt werden kann. Die Berührungspunkte von Unternehmen und Kunden rücken in den Vordergrund und lösen zunehmend das Logo als Hauptabsender der Marke ab.
Eine konsequent gestaltete Website, die sich intuitiv bedienen lässt oder lediglich eine Auswahl direkter Durchwahlnummern, die eine Übersicht der richtigen Ansprechpartner bietet, sind Methoden, mit denen Unternehmen ihre Kommunikation unter Einsatz geringen Aufwands erheblich transparenter gestalten können. Sie erleichtern Kunden damit nicht nur die anfängliche Kontaktaufnahme, sondern tragen auch zur langfristigen emotionalen Kundenbindung bei. Die Begegnung zwischen Unternehmen und Kunde in Form einer tatsächlichen Live-Kommunikation ist heutzutage ein rares Gut, dessen Vorzüge im digitalen Zeitalter weiterentwickelt werden müssen: Analoge Medien wie Prospekte, Briefpapier und Telefon müssen mit digitalen Medien wie Internet, E-Mail und Social Media verknüpft werden, um ein geschlossenes und wirkungsvolles Markenerlebnis zu schaffen, das gezielt auf die Bedürfnisse der einzelnen Kunden eingeht.
Differenzierungswettbewerb
Die im Jahr 2005 durch Herrn Harald Josef Panzer gegründete Firma Wohninvest Holding GmbH sah sich nach einem kontinuierlichen Wachstum mit der Frage konfrontiert, wie die eigenen Kommunikationskanäle bzw. Berührungspunkte zukünftig mit dem Kunden gestaltet werden sollten.
Bei einer eingehenden Recherche und Analyse der Online-Präsenz von Konkurrenz-Unternehmen fiel unweigerlich auf, dass viele Firmenwebsites eine Fülle von Informationen beinhalten, die dem Kunden zum Selbststudium überlassen werden. Solch eine Herangehensweise mag für die unternehmerische Seite auf dem ersten Blick kosten- und zeitsparend erscheinen, doch wäre der Verlust des direkten Kundenbezugs durch die insuffiziente Art der Informationsvermittlung eine naheliegende Konsequenz.
Der Internetauftritt vieler Unternehmen, der inzwischen oftmals über den primären und manchmal einzigen Eindruck desselben entscheidet, wirkt bisweilen unpersönlich, abwechslungslos und ist daher wenig einprägsam. Ein Kunde, dem man reine Unternehmensfakten präsentiert, sodass er sich diese selbst aneignen muss, wird sicherlich nicht gewillt sein, diesem Unternehmen sein Vertrauen entgegenzubringen. Somit wird das Aufkommen einer emotionalen Bindung zwischen Unternehmen und Kunden – einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil in der gegenwärtigen Verbrauchergesellschaft – von vornherein verhindert. Wird zudem die Benutzerfreundlichkeit den Erwartungen des Kunden nicht gerecht (z. B. wenn er nach einer ausgiebigen Suche die gewünschte Information auf der Website nicht findet), kann sich umgehend eine Antipathie dem Unternehmen gegenüber einstellen, die sich nur schwer revidieren lässt.
In der Immobilienbranche stellen Firmen bevorzugt Zahlen und Fakten bezüglich des Immobilienvermögens, der Verkaufsabschlüsse oder der Mitarbeiteranzahl als Erfolgsindiz in den Fokus ihrer Außendarstellung. Das Hervorheben dieser Daten soll der Vertrauensfestigung und -gewinnung alter und neuer Kunden dienen.
Diese Strategie akzentuiert aber hauptsächlich vergangene Errungenschaften des Unternehmens. Auf einem überaus kompetitiven Markt, indem Anbieter ihre Leistungen und Seriosität immer wieder unter Beweis stellen müssen, findet diese Art der Kommunikation nach wie vor häufig Verwendung.
Harald Josef Panzer als CEO der Fa. Wohninvest ging dagegen zusammen mit Mehnert Corporate Design einen vollkommen neuen Weg, indem er die Außendarstellung des Unternehmens radikal auf die Grundwerte fokussiert! Der Kunde kann seine uneingeschränkte Aufmerksamkeit der Definition eines gemeinsamen Ziels, einer gemeinsamen Haltung widmen. Dieser Ansatz lässt sich trefflich mit den Worten Antoine de Saint-Exupérys (1900-1944) beschreiben: „Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann rufe nicht die Menschen zusammen, um Holz zu sammeln, Aufgaben zu verteilen und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre sie die Sehnsucht nach dem großen, weiten Meer.“ Durch das Vor-Augen-Führen einer gemeinsamen Haltung bzw. Zielsetzung zahlen sich Bemühungen um das Kundenvertrauen wesentlich schneller und nachdrücklicher aus.
Für die Umsetzung bedeutet das, dass die wichtigsten Informationen zu einem Kern verdichtet und unter dem Unternehmensleitbild aufgeführt werden. Sollte der Kunde noch weitere Informationen benötigen, erhält er diese über zusätzlich angebotene Kommunikationskanäle (Telefon, E-Mail, Post, oder persönliche Termine) durch die Korrespondenz mit einem persönlichen Ansprechpartner. Auf diese Weise wird ein wirkungsvolles Markenerlebnis erzielt, das auf individuelle Kundenwünsche reagiert und diesen mit durchdachten Hilfestellungen entgegenkommt.
Das neue Corporate Design mit dem eigenständigen innovativen Lösungsansatz garantiert eine nachhaltige Unternehmensidentität, die über die Website hinaus auf alle weiteren Berührungspunkte des Unternehmens übertragen werden kann.
Ansatz Corporate Design
Das neu überarbeitete Erscheinungsbild der Fa. Wohninvest besteht vorwiegend aus einer „Bühne“ mit drei Faktoren: der zentralen Informationsebene, der zweiten Informationsebene –dem „Ticker“ – und dem Hintergrund.
Dieser umfassend angelegte Gestaltungsansatz fand in der Imagebroschüre seine erste Anwendung, wo Zitate bekannter Persönlichkeiten thematischen Bezug auf die Kerninformationen der Firma Wohninvest nehmen und die zuvor beschriebene Haltung ausdrücken.
„Almost everything that is great has been done by youth“ – ein Zitat des britischen Staatsmannes Benjamin Disraeli (1804-1881) verdeutlicht exemplarisch die Unternehmensphilosophie der Firma Wohninvest und wird deshalb auf der zentralen Informationsebene mit einer plakativen Typografie platziert.
Auf der zweiten Informationsebene erfolgt der Beleg als Tickerinformation und informiert den Leser darüber, dass dem Zitat mit der „höchsten Ausbildungsquote in der Immobilienbranche“ gerecht nachgegangen wird.
Die dritte Informationsebene bildet der weiße Hintergrund, der mithilfe des geringvolumigen Papiers eine Transluzenz erzeugt, die dem Betrachter einen ersten Hinweis zum nächsten Zitat liefert und auf diese Weise intuitiv durch die Broschüre leitet.
Der innovative Aufbau der Imagebroschüre bietet des Weiteren die Möglichkeit, die einzelnen Seiten herauszunehmen und zu einem großformatigen Plakat aufzuklappen.
Übertrag auf weitere Produkte
Durch die neue Kommunikationsstrategie ist es nun möglich, die Informationen für die jeweiligen Medien genau abzustimmen, ohne das ganzheitliche Erscheinungsbild aus den Augen zu verlieren.
Informationen werden ihrer Wichtigkeit nach neu sortiert und im Rahmen einer mediengerechten Kommunikation so erfahrbar gemacht, dass der Kunde einerseits die gewünschten Informationen mit möglichst wenig Aufwand erhält und andererseits diese positive Erfahrung direkt mit dem Unternehmen verknüpft.
Website
Auf der Website wird auf der zentralen Informationsebene das häufig von Kindern genutzte Zitat „Immer eins mehr als du“ verwendet,. Es soll dem Betrachter im Kontext der Fa. Wohninvest mit einem „Augenzwinkern“ vermitteln, dass man stets bemüht ist, die Wettbewerber zu übertreffen.
Auf der zweiten Informationsebene kommt ein sogenannter „Ticker“ zum Einsatz, der weiterführende Informationen in Relation zu der restlichen Typographie zwar deutlich kleiner darstellt, dem Betrachter jedoch allein durch seine Positionierung und andersartige Schriftart ins Auge fällt. Somit erhält man zwei Informationsebenen, die sich entweder gegenseitig ergänzen oder für sich alleinstehen können. Am Bespiel der Website wird dem Kunden mit der Verlinkung „Unternehmen“ eine Möglichkeit angeboten, weitere Informationen zum Unternehmen zu erhalten, nachdem die Neugier durch das Zitat geweckt wurde.
Beide Informationsebenen liegen über einem großflächigen Hintergrund, der aus einem Farbfeld, Bild oder Video bestehen kann. Der Hintergrund kann entweder farblich passend zu den Unternehmensfarben gestaltet sein oder thematischen Bezug zum eingesetzten Zitat nehmen. Im Fall der Website ist das Zitat „Immer eins mehr als du“ über einem kurzen Video spielender Kinder angeordnet, das den Betrachter possierlich daran erinnert, dass man bereits im Kindesalter versucht hat, aus der Masse herauszustechen.
Im Gesamtkontext der Website unterscheidet sich die Darstellungsart dieser Seite deutlich vom Wettbewerb und prägt sich deshalb besonders beim Betrachter ein.
In der nächsttieferen Ebene der Homepage werden im Punkt „Unternehmen“ die Kontaktmöglichkeiten über E-Mail, Telefon oder Post auf der ersten Informationsebene plakativ über die gesamte Ansichtsbreite platziert und weiterführende Informationen zur Firma auf der zweiten Ebene, dem „Ticker“, untergebracht. Die auf das Wesentliche reduzierten Tickerinformationen laufen durch das Bild und werden von einem großflächigen Bild im Hintergrund thematisch ergänzt. Sollten beim Kunden nun weiterhin Fragen bestehen, so stehen ihm unterschiedliche Kommunikationsschnittstellen bzw. Berührungspunkte zur Firma direkt zur Verfügung, die das jeweilige Anliegen durch einen persönlichen Ansprechpartner optimal bedienen und ein auf den Kunden zugeschnittenes Markenerlebnis erzeugen können.
PowerPoint
Bei Präsentationsmaterialien wie PowerPoint-Dateien werden Überschriften ebenfalls plakativ vor einem vollflächigen Hintergrund eingesetzt und die allgemeinen Informationen wie Datum, Firma, etc. auf der zweiten Informationsebene platziert. Im inhaltlichen Bereich wandern Überschrift und Ticker an den oberen bzw. unteren Seitenrand und bilden auf diesem Weg die Bühne für die jeweiligen Informationen.
Visitenkarten
Im Falle der Visitenkarten wird auf der Rückseite die jeweilige Person mit der postalischen Adresse plakativ auf der ersten Informationsebene und die persönlichen Kontaktmöglichkeiten auf der zweiten „Tickerebene“ positioniert. Die Vorderseite nutzt die vollflächige Hintergrundfarbe, um das Firmenlogo als „Ticker“ zu platzieren.
Briefpapier
Das Briefpapier verwendet ausschließlich die erste, plakative Informationsebene und ordnet diese auf der Rückseite an, um eine möglichst große Bühne für die relevanten Informationen zu schaffen. Dadurch erlangt das Briefpapier eine vollkommen neue Struktur, da es sich auf der Vorderseite allein dem Adressaten widmet und auf der Rückseite alle relevanten Berührungspunkte (postalische Anschrift, Telefon, etc.) anbietet, um bei Bedarf auf einfachste Weise einen Dialog aufbauen zu können. Wie bei der Imagebroschüre wird auch beim Briefpapier mit einer Transluzenz gearbeitet, die den Betrachter subtil auf die rückseitigen Informationen verweist.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass in Zeiten der Digitalisierung der Dialog zwischen Kunde und Unternehmen zunehmend in den Vordergrund rückt. Eine erfolgreiche Markenkommunikation wird nicht mehr allein durch das Unternehmen, sondern über die Berührungspunkte mit dem Kunden bestimmt. An Stelle von Umsatzzahlen, Produktinnovationen oder Kundenbewertungen als Maßstab für Unternehmenserfolg tritt zunehmend die Geschwindigkeit und Qualität der Kommunikation zwischen Unternehmen und Kunde. Für eine erfolgreiche Markenkommunikation werden analoge und digitale Kommunikationswege verknüpft und ganzheitlich am Kunden ausgerichtet.